Diskurs für OSC 2/2001: Was ist beim Frauencoaching zu bedenken? Einige Thesen.
1. Wie Alice Schwarzer in ihrem Buch, „Der große Unterschied“ (1999), bemerkt, ist es schier unglaublich, was Frauen in Deutschland seit Ende des 2. Weltkrieges an Gleichstellung mit den Männern erreicht haben. Auf der anderen Seite sind aber die Komplikationen immer noch beträchtlich, mit denen junge Frauen rechnen müssen, wenn sie sich eine ansehnliche Karriere aufbauen wollen. Und das wird, wie Alice Schwarzer - und die Verfasserin dieses Diskurses meint – ,von den meisten jungen Frauen leider verkannt bzw. verleugnet. Keddi et al. (1999) stellen in ihrer Untersuchung „Lebensthemen junger Frauen“ überzeugend dar, daß zwar kaum eine der Befragten eine traditionelle Frauenrolle als „Nur-Hausfrau und Mutter“ anstrebt, daß sie aber selten eine konsequente Planung für einen alternativen Lebensentwurf entwickeln.
2. Wie Ulrike Prokop (1979) u.a. zeigen, stellt sich der weibliche Lebenszusammenhang, den junge Frauen heute anstreben, als ein komplexes interdependentes Gefüge aus unterschiedlichen Ansprüchen dar. Frauen werden grundsätzlich für zwei Arbeitsplätze sozialisiert: Für eine Erwerbstätigkeit im öffentlichen Raum und für einen Arbeitsplatz zu Hause. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde es für Frauen zunehmend zur Selbstverständlichkeit einen Beruf zu erlernen. Ja, derzeit gilt es sogar als Standard, daß sich Frauen zumindest bis zur Familiengründung ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren und im Falle des Scheiterns der Ehe, sich und „ihre“ Kinder selbst unterhalten können (Geissler & Oechsle 1994). Viele von ihnen erwerben heute eine Ausbildung, die im Hinblick auf das Qualifikationsniveau den Männern vollkommen gleichrangig ist. Bei Auseinandersetzungen mit der Verwertbarkeit der Ausbildung für das spätere berufliche Leben oder mit den Karrierechancen der erworbenen Ausbildung lassen sich aber erhebliche Defizite beobachten.
3. Der Traum vieler junger Frauen, in einer „glücklichen Familie“ zu leben und gleichzeitig einen „qualifizierter Beruf“ zu erwerben, läßt sich heute durchaus als offizielles Ideal betrachten. Alternative Biographien, daß Frauen entweder nur in der Familie oder nur im Beruf aufgehen, verlieren langsam ihre Attraktivität und ihre Legitimation. Frauen wünschen sich einerseits Erwerbsautonomie und andererseits Präsens in der Familie. Für diesen doppelten Lebensentwurf bestehen aber noch keine verbindlichen Modelle in Westdeutschland weder im Sinne einer Abfolge mit Übergängen noch im Sinn einer Gleichzeitigkeit beider Lebensbereiche.
4. Wie stellt sich aber nun die Realisierung des doppelten Lebensentwurfes dar? In den ersten Jahren ihres Erwachsenenlebens hat für die meisten Frauen die Berufsausbildung und danach die Berufstätigkeit Priorität. Die Familiengründung wird dann im allgemeinen nach drei Gesichtspunkten gestaltet (Geissler & Oechsle 1994):
a. nach den beruflichen Zielen, die bis zur Familiengründung realisiert werden sollen,
b. nach der beruflichen Situation des Partners und
c. nach Vorstellungen über das „richtige“ Alter bei der Familiengründung.
5. Nach der Familiengründung, d.h. nach der Geburt eines Kindes kommt aber eine entscheidende Phase: Die Statuspassage Beruf-Familie-Beruf. Sie enthält auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene eine Reihe von Fallstricken. Die frühere Trennung in „Männerwelt Beruf“ auf der einen Seite und „Frauenwelt Familie“ ist zwar äußerlich weitgehend unscharf geworden, Frauen als Gebärerinnen leisten aber in unserer Gesellschaft immer noch die entscheidende „Sorgearbeit“ in der Familie mit allen ihren Konsequenzen (Jurczyk & Rerrich 1993). Die Sorgearbeit setzt vor allem eine zeitliche Einstellung auf das Kind bzw. die Kinder voraus. Dementsprechend sind es in der Regel die Frauen, die sich mit ihrer Zeiteinteilung auf die Kinder einstellen. Männer richten sich in ihrer Zeitstrukturierung primär nach dem Erwerbsleben. Das liegt zum einen daran, daß der Beruf für Männer – viel zwingender als für Frauen - eine Identität stiftende Bedeutung hat (Lehner 1999). Das ist zum anderen dadurch begründet, daß die Ansprüche beruflicher Welten immer mit der Gewalt des Faktischen, Unaufschieblichen verbunden sind. Diese Situation führt beim jeweiligen Paar meistens zu Zeitkollisionen und bei der Frau zu Gefühlen der Benachteiligung; denn der Mann kann sich durch die Priorität der Arbeitswelt auch leichter den Ansprüchen der Sorgearbeit entziehen.
6. So stellt die berufliche Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserer Gesellschaft über große Strecken eine Illusion dar. Beim Einstieg in die Familiengründung wird endgültig klar, daß die Frau mit ihrer Gebärfähigkeit die Hauptlast für die Aufzucht der Kinder übernehmen wird. Selbst in Fällen, in denen der Mann einen erheblichen Teil der Sorgearbeit übernimmt, bleibt die Gesamtverantwortung für das häusliche Management bei der Frau. Und mit den Zeitstrukturen der Berufswelt wird sie sich prinzipiell deutlicher arrangieren als der Mann. Wo nämlich die Zeitstruktur der männlichen Arbeitswelt in die Familie hinein ragt, und sich vieles um „seine“ Arbeit gruppiert, gestaltet die Frau umgekehrt ihre Arbeitszeit tendenziell nach den Ansprüchen der Familie.
7. Im Gegensatz zu manchen Autoren und Autorinnen wie z.B. Beck & Beck-Gernsheim (1994), die derartige Phänomene primär als individuelle Entscheidungen betrachten, zeigt Pfau-Effinger (2000), daß die Berufstätigkeit von Frauen, besonders die von Müttern, als ein komplexes Wechselspiel von kulturellen Entwicklungen, Institutionen, politischen Entscheidungen usw. zu sehen ist. Sie kann z.B. zeigen, daß in Westdeutschland auf der Basis der katholischen Soziallehre die Hausfrauenehe lange dominierte und daß seitens des Staates bis heute nur ergänzende Modelle („Vereinbarkeits-Modelle mit der Hausfrauenehe“) bestehen. Ganz anders stellt sich z.B. die Situation in Finnland dar. Aus Ehemodellen, bei denen beide Partner eigenverantwortlich und doch gemeinschaftlich einen Hof oder ein Geschäft führten, entwickelte sich nach der Industrialisierung ein „Doppelversorger-Modell mit staatlicher Kinderbetreuung“. Das heißt, beide Partner sind berufstätig in Vollzeitform, und der Staat stellt fast unbegrenzt Einrichtungen für die Versorgung der Kinder zur Verfügung. Zu Beginn der 90-er Jahre floß die Hälfte aller finnischen Sozialausgaben in den Bereich der öffentlichen Kinderbetreuung. Dementsprechend spielen Frauen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens eine tragende Rolle.
8. Nun wird zwar auch in den meisten anderen Industrienationen, in denen anders als in Finnland die bürgerliche „Versorger-„ bzw. Hausfrauenehe noch populär ist, versucht, die Statuspassage der Frau institutionell zu erleichtern. So gibt es z.B. auch in Frankreich seit den 60-er Jahren eine Vielzahl öffentlicher Einrichtungen zur Entlastung weiblicher Sorgearbeit, so dass fast 80% aller Frauen berufstätig sind. Margret Maruani (1997) berichtet, daß sogar noch 71,4% aller Frauen mit zwei Kindern berufstätig sind. In Deutschland dagegen, das mit 45% berufstätiger Frauen eines der Schlußlichter in Europa darstellt, stehen immer noch kaum Kinderkrippen zur Verfügung. Und Kindergärten, obwohl seit 1996 jedem Kind ein Kindergartenplatz rechtlich zugesichert wurde, gibt es auch noch nicht ausreichend. Im übrigen handelt es sich dabei nur um einen zugesicherten Halbtagsplatz, was selbst für Mütter, die „nur“ halbtags tätig sind, meistens nicht ausreicht (Busch 1997). Um das beschämende Bild von unserer frauenfeindlichen Gesellschaft noch abzurunden: Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern stellen in Deutschland auch Ganztagsschulen immer noch eine Ausnahme dar.
9. Ganz anders gestaltete sich die Situation in der DDR: Mit einer ähnlich hohen Beschäftigungsrate wie in Frankreich war die ostdeutsche Frau im planwirtschaftlichen Kontext geradezu „zwangsemanzipiert“ (Merkel 1994: 377). Auch ihr stand ein flächendeckendes Netz von Kinderkrippen, Kindergärten und Ganztagsschulen zur Verfügung. Nach der Wende brach dieses institutionalisierte Unterstützungsangebot allerdings nicht nur aus ökonomischen Gründen ein, es wurde auch aus ideologischen Erwägungen nicht mehr aufrecht erhalten. Die berufstätige Frau in Ostdeutschland mutierte nämlich jetzt von der „ostdeutschen Mutti“ zur „westdeutschen Rabenmutter“ (Gerhard 1994). Darin dokumentiert sich die hohe Ideologisierung leiblicher Mütterlichkeit in Westdeutschland. Viele Frauen können sich bis heute nicht vorstellen, daß ein Mutterersatz für einige Stunden des Tages für Kinder durchaus konstruktiv ist. Die Entwicklung nach der Wende hatte jedenfalls zur Folge, daß viele Frauen in Ostdeutschland genau wie die im Westen jetzt nur noch wenige Kinder bekommen, daß die noch übrigen Kinderkrippen und Kindergärten oft sogar unterbesetzt sind und viele Schulen wegen Schülermangel fusionieren müssen.
10. Wie Pfau-Effinger (2000) darstellt, wird die Entwicklung von Frauenkarrieren natürlich auch durch politische Entscheidungen erschwert. Da ist zum einen die Steuergesetzgebung, das sogenannte Ehegattensplitting, das es einer Familie, in der die Frau ein erheblich niedrigeres Einkommen als der Mann aufweist, geradezu nahelegt, zu hause zu bleiben. Dann ist es für den Mann ein Leichtes zu argumentieren: “Deine Arbeit lohnt sich nicht, ICH muß deinetwegen zuviel Steuern zahlen. Wenn Du zu hause bleibst, haben wir es sowieso alle gemütlicher.“ Da sind zum anderen (von konservativen Politikern zunächst gut gemeinte) gesetzliche Regelungen, die es Frauen ermöglichen, nach der Geburt ihrer Kinder bis zu drei Jahren dem Beruf fern zu bleiben. In solchen Fällen stellt sich der Wiedereinstieg von Frauen oft als erhebliche Hürde dar, so daß sie ihn entweder gar nicht mehr wagen oder in etlichen Firmen, Kommunen usw. gehalten sind, vor ihrer Rückkehr spezielle vorbereitende Veranstaltungen zu besuchen. Für die einzelne Frau erzeugt diese Drei-Jahres-Regel jedenfalls immer ein erhöhtes Maß an beruflicher Diskontinuität. Und für die Gesamtheit der Frauen hat sie geradezu verheerende Wirkungen. Viele Arbeitgeber überlegen sich nämlich heute, ob sie es sich überhaupt noch leisten können, eine Frau einzustellen. Der potentielle Ausfall einer qualifizierten Mitarbeiterin für einige Jahre stellt auf der Ebene von Wissensmanagement, auf der Ebene der internen Teamentwicklung usw. für jedes berufliche System eine erhebliche Einbuße dar.
11. Frauen haben durch Schwangerschaft und Geburt ohnedies immer ein gewisses Maß an Diskontinuität zu „verdauen“, was sie aber je unterschiedlich gut bewältigen. So läßt sich nicht leugnen, daß auch in Deutschland mit seinen eher ungünstigen Voraussetzungen doch noch eine Vielzahl von Frauen eine qualifizierte Berufskarriere zustande bringt. Geissler & Oechsle (1994) meinen, dass die Fähigkeit, wie Frauen die Diskontinuitäten von Schwangerschaft und Kinderaufzucht bewältigen
• mit ihrer Selbstdefinition als berufstätiger Frau zusammen hängen und
• mit der Kontinuität des eigenen beruflichen Interesses.
Das heißt, Frauen werden nach der Familiengründung am schnellsten dann wieder Anschluß an ihre Berufstätigkeit finden, wenn sie über ein ausgeprägtes Selbstverständnis als berufstätige Frau verfügen und wenn sie dauerhaft an beruflichen Fragestellungen interessiert sind. Das gilt sicher am ehesten für Frauen, deren Mütter auch schon berufstätig waren (Keddi et al. 1999), und es gilt für Frauen, die mit ihrem Beruf besondere Visionen verbinden.
12. Nachdem die Berufstätigkeit von Frauen in Deutschland nur schwach institutionell gestützt ist, und Männer aufgrund ihrer nuanciert anders gearteten Interessenlage nicht in der gleichen Weise für die Sorgearbeit zur Verfügung stehen, sind Frauen in den Zeiträumen ihrer Berufstätigkeit auf einen privat organisierten Ersatz angewiesen. Das sind vielfach Omas oder Tanten. In Mittelstandsmilieus werden große Teile der Mutter-, meistens auch der Hausfrauenfunktionen an bezahlte Arbeitskräfte wie an Tagesmütter, Kinderfrauen, Haushälterinnen, Aupairs und manchmal sogar an eigens engagierte Lehrerinnen delegiert. Als Voraussetzung dafür gilt aber ein gutes Einkommen auf seiten der Frau und gleichzeitig ein akzeptables Einkommen des Mannes. Damit segmentiert sich die Gesamtheit von Frauen, in diejenigen, die es sich leisten können, Dienstleisterinnen zu engagieren, um eine qualifizierte Karriere zu entwickeln, und in diejenigen, die sich zur Realisierung ihrer Berufstätigkeit auf unteren Statusebenen auch noch erheblich abschuften müssen.
13. Die Doppelorientierung von Frauen zwischen Familie und Beruf hat aber noch eine Reihe anderer Konsequenzen. Sie erschwert zunächst die Teilhabe am öffentlichen Leben, d.h. Frauen integrieren sich seltener in Parteien oder in andere Interessengruppen, so daß sie auch seltener dazu kommen, ihre Interessen als berufstätige Mütter zu artikulieren. So läßt sich z.B. behaupten, daß die aktuelle Debatte um die Rentengesetzgebung auch Ausdruck einer verfehlten Frauenpolitik der BRD seit ihres Bestehens ist: Wenn nämlich die Koppelung von Familie und Beruf in unserer Gesellschaft institutionell besser gestützt wäre, gäbe es mehr Kinder, die als Rentenversicherungszahler die Rente ihrer Eltern und Großeltern finanzieren könnten.
14. Eine andere Konsequenz der Doppelorientierung von Frauen manifestiert sich in ihrer Präferenz für Berufe, die als „Frauenberufe“ den Charakter „bezahlter Hausarbeit“ haben. In diese Kategorie fallen Berufe wie Kindergärtnerin, Krankenschwester, Sozialpädagogin, Sekretärin usw. (v. Werlhof 1983). Diese zeitlich sehr intensiven Tätigkeiten, die „den ganzen Menschen fordern“ und dementsprechend schwer zu quantifizieren sind, werden oft schlecht bezahlt, so dass sie vielfach einen ausbeuterischen Charakter haben. Das Selbstbewußtsein der Frauen in diesen Berufen, selbst wenn sie leitende Positionen bekleiden, ist eher niedrig, weil es sich augenscheinlich um „Jede-Frau-Tätigkeiten“ handelt. So meinen viele Mütter Erzieherinnen im Kindergarten gute Ratschläge erteilen zu müssen, wie dies oder das besser zu machen wäre.
15. Es läßt sich geradezu von einer Hierarchie von Männer- und Frauenarbeit sprechen. Wetterer (1993) zeigt allerdings, daß das Vordringen von Frauen in Männerdomänen durchaus möglich ist, wenn Männer eine Branche verlassen. Damit verliert diese aber im allgemeinen an Bedeutung, so daß die Einkommens- und Aufstiegschancen geringer werden. In aktuell expandierenden Branchen können Frauen besonders dann gut Fuß fassen, wenn noch nicht ausreichend viele Bewerber zur Verfügung stehen. Nach der Konsolidierung werden Frauen aber oft verdrängt. Die Autorin kann gleichzeitig zeigen, daß der Geschlechtswechsel eines Berufs oder einer Branche im Falle einer „Verweiblichung“ stets einen Statusverlust zur Folge hat (z.B. vom Sekretär zur Sekretärin) und im Falle einer „Vermännlichung“ (z.B. von der Putzfrau zum Gebäudereiniger) eine Statusaufwertung. Die Autorin zeigt anhand historischer Analysen außerdem, daß Frauen oft als Pioniere bei neuen Technologien tätig sind. Erst im weiteren Verlauf werden sie durch patriarchalische Strategien der Personalrekrutierung ausgeschlossen (Cyba 2000).
16. Eine weitere Konsequenz der Doppelorientierung als „Doppelbelastung“ von Frauen in Westdeutschland ist die Präferenz für Teilzeit- bzw. Halbtagsarbeit. Diese erst in den 50-er Jahren kreierte Form der Berufstätigkeit (Eckart 1982) wird meistens als Defizitbegriff verwendet. Das heißt, sie hat den Odem von halbherzig, provisorisch usw. Personen mit Halbtagsarbeit müssen sich meistens mit Legitimationsproblemen herumschlagen. Deshalb werden diese Stellen selten von Männern besetzt und auch fast nie von Frauen in leitenden Positionen. Wenn sie als Leiterin auch nur vorübergehend eine Halbtagsstelle bekleiden, müssen sie fast immer einen empfindlichen Machtverlust hinnehmen.
17. Am Beispiel der Teilzeitarbeit läßt sich übrigens belegen, daß auch die Gewerkschaften in keiner Weise die Frauenerwerbstätigkeit in Westdeutschland gefördert haben. Im Gegenteil, bei allen Lösungen, die nicht dem Vollzeitmodell entsprachen, wurde sofort ihr Widerstand mobilisiert, denn sie fürchteten jeweils Einbußen des bislang erkämpften Besitzstandes (Pfau-Effinger 2000).
18. In die Bezahlung männlicher und weiblicher Arbeit fließt nach Meinung von Rabe-Kleburg (1993) grundsätzlich das Verhältnis zwischen weiblicher Reproduktions- und männlicher Berufsarbeit ein. Je qualifizierter allerdings Frauen ausgebildet sind und je höher die von ihnen bekleidete Position ist, desto mehr Widerstand mobilisieren sie gegen eine ungleiche Bezahlung. Der Widerstand zeitigt aber nur dann positive Konsequenzen, wenn sie ihre Interessen über Gewerkschaften und vergleichbare Instanzen verfolgen. Durch ihre Doppelbelastung fühlen sich aber viele Frauen überfordert, einen konsequenten Kampf für ihre Interessen zu führen, so daß manche derartige Initiative versickert – und wie soeben angesprochen, die Gewerkschaften definieren sich bislang ohnedies kaum als Vertretung für Frauenbelange.
19. Berechtigte Hoffnungen, daß derartigen Mißständen wirkungsvoller als bisher begegnet wird, begegnet uns in Aktivitäten zur Gleichstellungspolitik. Hier werden, zumindest in manchen Unternehmen und in manchen Verwaltungssystemen, große Anstrengungen zur Gleichstellung der Geschlechter unternommen. Dabei geht es in der Regel um Ungerechtigkeiten in der Beförderungspraxis (Krell 1997), in den Beurteilungsverfahren (Schreyögg, F. 1997) usw. Wie allerdings Krell & Osterloh (1991) anmerken, handelt es sich hier eher um singuläre Initiativen; denn in der offiziellen Debatte, auch in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen um die Personalwirtschaft bzw. Personalpolitik spielen Fragen der Frauengleichstellung noch eine geringe Rolle.
20. Ein gänzlich anders geartetes Konfliktpotential stellt das Selbst- wie auch das Fremdbild von berufstätigen Frauen und erst recht das von berufstätigen Müttern dar. Wie Verena Kast (1990) aufmerksam macht, agieren viele berufstätige Frauen auf der Basis einer Vateridentifikation; denn der Vater war ja in bürgerlichen Milieus genau die Person in der Familie, an der sich die Tochter für ihre Rolle als berufstätiger Mensch orientieren konnte, bzw. sie war das entscheidende Modell für Berufstätigkeit. Dieses aus der Identifikation mit dem Vater erworbene Selbstbild kann aber nun vielfach nicht in ein weibliches Selbstbild integriert werden. An diesem Punkt ist es für Frauen mit einer berufstätigen Mutter fraglos leichter, sich als „berufstätige Vollfrau“ zu definieren. Das entspricht auch den Ergebnissen von Keddi et al. (1999): Sie können zeigen, daß junge Frauen aus Ostdeutschland, deren Mütter prinzipiell berufstätig waren, ihrem Beruf mit einem größeren Selbstverständnis gegenüber stehen, als Frauen aus Bayern, deren Mütter nur zu Teilen gearbeitet haben.
21. Was allerdings in der feministischen Literatur kaum thematisiert wird, ist eine spezifische Freiheit berufstätiger Frauen, insbesondere dann, wenn sie auch Mütter sind. Anders als Männern, die sich mit ihrem Beruf schicksalhaft verbunden fühlen (Connell 2000), gelingt es Frauen durch ihren doppelten Lebensentwurf eher Abstand zu halten, eher Distanz zu einer beruflichen Misere zu finden. Es gelingt ihnen leichter, auch mal verlieren zu können, auch mal die Frustration zu ertragen, wenn die Karriere stockt usw. Was auch selten angesprochen wird: Frauen können es sich leichter gönnen, glücklich zu sein mit ihren Lieben in der Familie. Bei Frauen sind deshalb auch seltener einseitige Fixierungen auf den beruflichen Erfolg zu beobachten.
Zusammenfassung
Die Autorin postuliert in diesem Beitrag, daß beim Coaching von Frauen heute meistens ein „doppelter Lebensentwurf“ zu berücksichtigen ist. Das heißt, die Doppelorientierung an Beruf und Familie. Die Autorin zeigt, daß Frauen bei der Realisierung dieses Lebensentwurfes automatisch mit einer Vielzahl von zum Teil komplizierten Fragestellungen konfrontiert sind. Und diese sollten im Coaching entsprechend thematisiert werden.
Abstract: What shall the consultant reflect at a female coaching
The author focuses on female Coaching. In most cases women today have a double planing of her life: one for work and one for family. But the combination of the two plans mostly is difficult. Especially in Germany women have to care for many private solutions.
Key words:
Female Coaching, planing of the female life, problems to combine work and family.
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