Konfliktcoaching bei Fusionen

Konfliktcoaching bei Fusionen

1. Einleitung

Nachdem sich einige Großfusionen - insbesondere in der Automobilindustrie - zu einem wirtschaftlichen Desaster ausgewachsen haben, läßt sich nicht mehr verleugnen, dass bei Firmenzusammenschlüssen regelmäßig eine ganze Palette von Konflikten auftritt. Sie bewirken vielfach, daß erwartete Synergie-Effekte zunichte werden bzw. sich gar nicht erst einstellen. Zur Bewältigung solcher Erscheinungen finden wir heute zunehmend ein Fusions-  bzw.  Post-Merger-Management. In diesem Rahmen spielen meistens auch vielfältige Maßnahmen der Personalentwicklung – und dabei auch Coaching - eine Rolle.

Selbstverständlich handelt es sich bei Konflikten um allgegenwärtige Phänomene. Sie werden zu unterschiedlichen Fragestellungen in verschiedenen Disziplinen thematisiert wie in der politischen Philosophie, der Soziologie, der Psychologie usw. Entsprechend den unterschiedlichen Phänomenbereichen finden wir unterschiedliche Definitionen und Gegenstandsbeschreibungen (vgl. Bonacker 1996). Im vorliegenden Beitrag geht es ausschließlich um „Konflikte in Organisationen“. Diese müssen von Führungskräften in der einen oder anderen Weise gehandhabt werden, damit eine jeweilige Organisation keinen Schaden nimmt, dass sie möglichst reibungslos funktioniert, dass sie die gewünschten Effekte erbringt und vielleicht sogar erst „richtig erblüht“. Und bei der Regelung von Konflikten ist Coaching besonders gut geeignet. Wegen seiner Anlage als „exklusive Maßnahme der Personalentwicklung“ unter vier Augen oder in einer Kleingruppe, gelingt es durch Coaching auch nuancierteste Konflikte aufzuspüren und zu bearbeiten (Schreyögg 2002).    

2. Was sind Konflikte

Zum Verständnis von Konflikten begegnen uns in der Literatur drei grundlegende konzeptionelle Positionen: Ein Teil von Autoren betrachtet sie eher

• neutral als selbstverständlichen Bestandteil jeder sozialen Situation.
• Ein anderer Teil bemüht sich Ansätze zu entwickeln, dass potentiell zerstörerische Potentiale möglichst kunstvoll gebändigt  werden können und
• ein dritter, allerdings noch ziemlich kleiner Teil von Autoren begreift Konflikte sogar als positiven Motor für Neuentwicklungen.

Alle drei Positionen haben ihre Berechtigung; denn je nach der spezifischen sozialen Situation kommt ihnen eine wichtige Bedeutung zu für die Entwicklung der jeweils „richtigen“ Handlungsstrategie. Frühe Soziologen, die sich zu sozialen Konflikten äußerten, wie Weber (1921) oder Simmel (1908) betrachteten sie als selbstverständlichen Bestandteil einer jeden Gesellschaft. Die Soziologen Coser (1956) oder Dahrendorf (1961) postulierten sogar, dass es ohne Konflikte keinen sozialen Wandel gäbe. Solche Sichtweisen wurden im Verlauf der 70er und 80er Jahre kaum mehr propagiert. Jetzt standen Autoren im Vordergrund, die unter dem Eindruck des „kalten Krieges“  Konflikte eher als Bedrohung begriffen (z.B. Krüger 1972, Rüttinger 1977 u.a.). Erst im Verlauf der 90er Jahre meldeten sich Autoren zu Wort, die nun sogar „Konfliktstimulation“ unter dem Titel „Using Conflict in Organization“ propagierten und die Förderung von Konflikten geradezu als Programm betrachteten (vgl. De Dreu, Van de Vliert 1997). Ein ähnlicher Zugang zum konstruktiven Umgang mit Konflikten begegnet uns in der modernen Change-Literatur. Im Zuge bewußt gestalteter Wandlungsprozesse in Organisationen werden konfliktäre Aktionen der Mitarbeiter genutzt und in die Handlungsstrategien der Change Agents integriert (z.B.Roth 2000).

Zur begrifflichen Präzisierung von Konflikten in Organisationen, die immer soziale Konflikte darstellen, empfehle ich einer Definition von Friedrich Glasl (1994, S. 14), dem „Altmeister des Konfliktmanagements“ im deutschsprachigen Raum, zu folgen. Danach ist ein „sozialer Konflikt“...“eine Interaktion

• zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen),
• wobei wenigstens ein Aktor
• Unvereinbarkeiten im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen
• mit einem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt,
• daß im Realisieren eine Beeinträchtigung
• durch einen anderen Aktor erfolge.“

Konflikte können sich in unterschiedlicher Weise manifestieren. Viele von ihnen „versickern“, denn je nach der Bedeutung, die man einer Kontroverse in einem System beimisst, lassen sich die Organisationsmitglieder davon tangieren oder eben nicht. Deshalb wird auch nicht jeder Konflikt als solcher thematisiert. Aus Unternehmen oder Verwaltungssystemen wird immer wieder berichtet, dass Konflikte geleugnet, bagatellisiert oder künstlich versachlicht werden. Das steht durchaus in Übereinstimmung mit dem Wesen von Organisationen, denn sie wurden ja ursprünglich als betont rational strukturierte Systeme etabliert. Deshalb besteht bei vielen Organisationsmitgliedern die Illusion, dass emotional geleitete Kontroversen in Organisationen kaum aufträten oder sich rein rational regeln ließen.

Dem entspricht auch eine geradezu klassische Dichotomisierung von Konflikten in „kognitive“ und „affektive“. Wie wir im Zusammenhang mit dem Konfliktpotential bei Fusionen noch sehen werden, erweisen sich solche Unterscheidungen als zu vordergründig. Kognitiv erscheinende Konflikte wandeln sich nämlich unter bestimmten Voraussetzungen schnell in affektive. Konflikte können sich allerdings auf sehr unterschiedliche Weise äußern. Und wie sie faktisch in Erscheinung treten, unterteilt z.B. Königswieser (1987: 1242) in vier Kategorien:

(1) In leistungsorientierten, emotionsarmen Organisationen begegnet uns wahrscheinlich am häufigsten "Konfliktumgehung" Die Organisationsmitglieder verdrängen, deuten um, harmonisieren und verschieben negative Gefühle auf die Sachebene. Spannungen werden dann in der Privatsphäre ausagiert. Gruppen entlasten sich häufig, indem sie ihren unterschwelligen Unmut auf Außenseiter verlagern, d.h. indem sie Konflikte personalisieren.

(2) Als „sozial reduktive Formen der Konfliktaustragung“ beschreibt Königswieser (ebd.) besonders aggressive Handlungsmuster, die auf die Vernichtung des Gegners abzielen. In Systemen der Arbeitswelt geht es allerdings in der Regel nicht um physische Schädigungen, sondern um
• soziale wie Rufmord oder Entmachtung, um
• ökonomische wie Entlassung, Verhinderung von Gehaltserhöhungen usw. Oder es geht um
• psychische Schädigungen wie z.B. fachliche oder persönliche Entwertung usw.

(3) Gelegentlich finden sich allerdings auch „pro-soziale Formen der Konfliktaustragung“, die im Aushandeln bzw. Verhandeln (vgl. Fisher et al. 1998) bestehen. Unterschiedliche Interessen bleiben dann ganz oder teilweise erhalten, man billigt sich Andersartigkeit zu und sucht nach Kompromißlösungen. Außerdem werden Formen der Metakommunikation (Watzlawik et al. 1969) gepflegt, d.h. man setzt sich über unterschiedliche Interessen offen auseinander.

(4) Als vierte Form der Manifestation nennt Königswieser (ebd.) indirekte Muster wie „in Ruhe lassen“, „versickern“ oder „verebben lassen“.

Insgesamt muss man allerdings sagen, daß viele Konflikte in Organisationen durch das Alltagsgeschäft absorbiert werden etwa durch Umstrukturierungen, durch Neuregelungen, wer mit wem zusammen arbeiten soll usw. Manche Vorgesetzte verfügen über eine erstklassige Intuition, wie Konflikten vorzubeugen ist oder was man unternehmen muß, um sie nicht „aufkochen“ zu lassen. Manche andere fördern sogar die Konfliktbereitschaft, Idealerweise aber auf dem Hintergrund einer reflektierten Führungshaltung (Baron 1997).

3. Was ist Konfliktcoaching

Im Zusammenhang mit Konflikten bietet Coaching (vgl. Schreyögg 2002)

• zunächst als generelle Maßnahme der Personalentwicklung Unterstützung bei der Konfliktprophylaxe. Das heißt, es unterstützt die Führungskraft bei der Realisierung von Handlungsmustern, die geeignet sind, unnötige bzw. unproduktive Konflikte zu vermeiden.

• Es unterstützt Führungskräfte außerdem bei der Milderung oder Bewältigung von Konflikten, die für das System voraussichtlich störend oder sogar bedrohlich sind.

• Coaching kann aber umgekehrt auch Aktivitäten von Führungskräften fördern, die zu einer konstruktiven Stimulierung von Konflikten und damit zur Flexibilisierung einer Organisation führen 

3.1.  Coaching zur Konfliktprophylaxe

Wenn der Coach nicht nur zur kurzfristigen „Pannenhilfe“ sondern als langfristiger Dialogpartner etwa zur Beratung einer neuen Führungskraft in Anspruch genommen wird, und ihm dann alle relevanten Aktionen und organisatorischen Prozesse vorgestellt werden, kann er am besten konfliktprophylaktisch wirken. Dann ist es möglich,  präventive Haltungen und ein präventives Management zu fördern.

Zur Unterstützung „präventiver Haltungen“ wird der Coach die Führungskraft ermutigen, eine gewisse Gelassenheit gegenüber Konflikten auf der einen Seite und Wachsamkeit gegenüber Konflikten auf der andern zu entwickeln. Gelassenheit von Führungskräften gegenüber Konflikten wirkt nämlich auf die Mitarbeitern grundsätzlich mäßigend; oder umgekehrt, ein durch Konflikte stark beunruhigter Vorgesetzter strahlt auf die Mitarbeiter immer eskalationsfördernd ab. In solchen Fällen sind die Mitarbeiter auch maximal unvorbereitet zur Bewältigung von Konflikten. Durch Konfliktängstlichkeit des Vorgesetzten hatten sie im allgemeinen bislang keine Gelegenheit eine gut funktionierende Streitkultur zu entwickeln. Außerdem entsteht in solchen Fällen ein „Führungsvakuum“, das dann informelle Führer in oft rivalisierender Weise ausfüllen. Für naive Beobachter wirkt es oft verblüffend, dass konfliktfreudige Führungskräfte grundsätzlich die günstigere Ausgangsbasis für den Umgang mit Konflikten haben. Eine ängstliche Führungskraft sollte deshalb vom Coach systematisch für die Handhabung konfliktärer Situationen trainiert werden.

Trotz aller positiven Konfliktbereitschaft ist aber immer Wachsamkeit gegenüber potentiellen Konflikten angeraten. Dementsprechend sollten im Coaching auch laufend potentielle Konfliktherde diskutiert werden. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass der Coach über ein breites sozialwissenschaftliches Wissen verfügt, damit er die Führungskraft bei angemessenen Erklärungen der Konfliktursachen unterstützen kann. Anhand kompetenter Analysen der Konfliktursachen und des Konfliktverlaufs wird in vielen Fällen überhaupt erst die gesamte Tragweite eines Konfliktes deutlich. Wie nämlich Regnet (1992) zeigen kann, neigen die meisten Führungskräfte dazu, Konflikte zu personalisieren. Wenn sie allerdings das „schwarze Schaf“ eliminiert haben, sind sie oft sprachlos, daß nun eine ähnliche Problematik mit einem anderen Mitarbeiter auftaucht. Es läßt sich nämlich feststellen, daß die meisten Konflikte als Verschränkung von kontextuellen und personellen Faktoren entstehen.

Eine entscheidende Konfliktprävention ist bewußtes Management, bei dem der Coach umfassende Unterstützung geben sollte. Als Steuerungs- bzw. Managementaufgaben gelten in der Literatur: Planung, Organisieren, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle (Steinmann & Schreyögg, G. 2000).

(1) Bei der Planung, also bei Reflexionen, was erreicht werden soll und wie es am sinnvollsten zu erreichen ist, steht die Entwicklung von Zielvorstellungen, ihre Selektion und die Festlegung von Zielen mit den entsprechenden Handlungsrichtlinien, Verfahrensweisen usw. im Vordergrund. Man differenziert die strategische von der operativen Planung. Während strategische Planung den grundlegenden Orientierungsrahmen im Sinne von Zukunftsvisionen für alle organisatorischen Entscheidungen festlegt, dient operative Planung der Gewinnung von Orientierungsmustern für das konkrete Handeln. Wenn die Führungskraft diese Managementfunktion bewußt wahrnimmt und zusammen mit ihren unmittelbaren Mitarbeitern immer wieder organisatorische Ziele und ihre Realisierung reflektiert, wird es ihr gelingen, divergierende Positionen der Mitarbeiter zur Entwicklung einer konstruktiven Streitkultur zu nutzen. Im anderen Fall wirken diese oft untergründig destruktiv.

(2) Beim Organisieren geht es um die Umsetzung von Zielen im jeweiligen Handlungsgefüge eines Systems. So müssen z.B. Führungskräfte für ihr System Aufgabenverteilungen veranlassen. Reflektiertes Organisieren erfüllt deshalb eine konfliktprophylaktische Funktion, weil viele Konflikte durch kluge strukturelle Regelungen umgangen oder gemildert werden können.

(3) Die Managementfunktion „Personal“ umfaßt alle Aktivitäten der Führungskraft, um einen qualifizierten und engagierten Personalbestand zu gewinnen, zu sichern und zu erhalten. Auch hierbei sollte der Coach einer Führungskraft zu maximaler Sorgfalt raten. So kann z.B. schon eine wenig durchdachte Personalauswahl zu erheblichen Konflikten führen.

(4) In die Rubrik „Führung“ fällt ein Aufgabenbereich, der als „Führung im engeren Sinn“ zu bezeichnen ist. Dieser wird im Coaching besonders oft thematisiert. Das ist die Veranlassung der Arbeitsausführung und ihre zielgerechte Steuerung im organisatorischen Alltag. Dieser Managementfunktion ist im Hinblick auf die Entstehung von Konflikten besondere Aufmerksamkeit zu widmen; denn zu unklare oder zu rigide Führungshaltungen sind häufige Ursachen für die Entstehung organisatorischer Konflikte.

(5) Auch die Kontrollfunktion sollte im Coaching sorgfältig behandelt werden, denn sie stellt für viele Vorgesetzte ein besonders heikles Thema dar. Viele von ihnen befürchten nämlich, daß sie durch Kontrollen Konflikte überhaupt erst provozieren. Es verhält sich indes genau umgekehrt: Konflikte entstehen fast noch häufiger, wenn Vorgesetzte ihre Kontrollfunktion vernachlässigen. Diejenigen Mitarbeiter, die ihre Aufgaben sorgfältig wahrnehmen, ärgern sich über diejenigen, die das nicht tun, und schließlich auch über den Vorgesetzten, der Nachlässigkeiten unbedachtsam durchgehen läßt. 

3.2. Coaching zur Konfliktbewältigung oder -eindämmung

In Fällen, in denen sich ein Konflikt entwickelt hat, der die Funktionsfähigkeit eines Systems zu mindern droht, muß der Coach die Führungskraft unterstützen, die jeweils passende Strategie zur Konfliktbearbeitung auszuwählen und ihre Anwendung vorzubereiten. Welche Konfliktbewältigungsstrategie im jeweiligen Fall am aussichtsreichsten ist, bedarf vorbereitender Analysen. Die Auswahl bestimmt sich nämlich einerseits nach dem Eskalationsgrad eines Konfliktes und andererseits nach Besonderheiten der Vorgesetztenrolle. 

(1) Als Vorbereitende Analysen sollte der Coach in einem ersten Schritt mit der Führungskraft untersuchen, auf welchem Eskalationsniveau  sich ein Konflikt befindet. Zur Beschreibung konfliktärer Prozesse zieht man Stufenmodelle heran, weil die Verschärfung von Konflikten, also ihre Eskalation, über Wendepunkte erfolgt. Hierunter versteht man Handlungsmuster, die von einer Konfliktpartei praktiziert werden, woraufhin eine andere sich genötigt sieht, mit einer noch rigoroseren Handlungsstrategie zu reagieren. Glasl (1994) differenziert neun Eskalationsstufen, die von Neuberger (1994) zu drei Eskalationshauptstufen zusammengefaßt werden:

• Die 1. Hauptstufe startet mit harmlos erscheinenden Reibereien und inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten. Sie ranken sich um unterschiedliche Standorte und führen zur Aufspaltung  in verschiedene Lager. Die jetzt zunehmend dogmatisch vorgetragenen Positionen führen zu einer Polarisierung der Beteiligten und münden in Debatten, bei denen sich die Kontrahenten nicht mehr dialogisch zu überzeugen suchen, sondern wo es nur noch um plakativ vorgetragene Darstellungen der eigenen Positionen geht. Jetzt werden die ersten strategischen Mittel eingesetzt, um die Gegenseite, die zunehmend als konkurrierend erlebt wird, zu überrumpeln. Wenn eine der Parteien das Debattieren leid ist, beginnt sie im Sinne eines Wendepunktes oft mit demonstrativ zur Schau getragener Sicherheit ihre Intentionen in die Tat umzusetzen, das heißt, die Epoche des Redens ist beendet und es wird zu Taten geschritten. Das erhöht zwar die Gruppenkohäsion im eigenen Lager, was mit der Entwicklung eines Feindbildes von der Gegenseite korrespondiert, es führt aber fast immer zu einer Verschärfung des Konfliktes, weil ja nun die Kontrahenten zum Gegenschlag ausholen.

•  In der 2. Hauptphase zentriert sich das Konfliktgeschehen auf das äußere Ansehen einer jeweiligen Partei. Zunächst kreisen alle Strebungen um den Erhalt und die Verbesserung des eigenen Images. Das versucht man vor allem durch die Rekrutierung möglichst vieler Koalitionspartner zu realisieren. Der Kontrahent wird nun endgültig als „hässlicher“ Gegner definiert und erheblich abgewertet. Seine Beeinflussung soll  vorrangig über die neu gewonnenen Mitstreiter und deren öffentliche Reputation erfolgen. Im Weiteren Verlauf der Imagekämpfe wird der Gegner diffamiert. Als neuen Wendepunkt fügt man ihm entweder einen Gesichtsverlust zu oder man provoziert ihn geschickt, damit er sich selbst bloßstellt. Nun verschärfen sich die gegenseitigen Negativprojektionen mit allen Merkmalen von Stigmatisierung. Das zieht vielfach eine regelrechte „Rehabilitierungssucht“ nach sich, durch die nun wieder neue Bühnen zur positiven Selbstinszenierung eröffnet werden. Fortlaufende Stigmatisierungen der Gegner provozieren bei beiden Parteien Drohungen jeder Art. Drohungen und Gegendrohungen entspringen einer Angst, ohnmächtig zu sein und nicht mehr gewinnen zu können.

• Die Vernichtungsschläge, die man am Ende der 2. Eskalationsphase nur androhte, werden in der 3. Hauptphase real appliziert. Jetzt reduzieren sich die Hemmungen erheblich, dem Gegner ernstlichen Schaden zuzufügen. Wenn eine der Parteien dieses tut, wird ein Eskalationsstop immer unwahrscheinlicher. Aus dem Hinterhalt werden Schläge ausgeteilt, die der Gegner jeweils mit härteren Schlägen kontert. Dabei spielen breit angelegte Diffamierungskampagnen der Gegner und ihrer Anhängerschaft eine Rolle, während beide versuchen, das gegnerische Lager zu zersplittern. Die Eskalationen erreichen ihren Höhepunkt, wenn die Kontrahenten die Vernichtung des Gegners sogar um den Preis der Selbstvernichtung herbeiführen wollen.

Solche Szenarien finden sich allerdings selten in dieser extremen Form. Viel häufiger begegnen uns Eskalationen, die sich im Sinne von Spielen (Crozier & Friedberg 1979) lange in der 1. oder in der 2. Eskalations-Hauptstufe bewegen, und bei denen alle Beteiligten eher darüber wachen, daß kein weiterer Wendepunkt überschritten wird.

Nach Untersuchungen des Eskalationsgrades sollte der Coach eine Analyse der Vorgesetztenrolle der zu beratenden Führungskraft vornehmen. Viele Führungskräfte wollen von ihren Mitarbeitern primär als freundliche Förderer gesehen werden. Die Position einer kritischen oder gar restriktiv anordnenden Instanz zu übernehmen, fällt ihnen oft schwer. Angesichts von Konflikten läßt sich aber eine solche Haltung nicht immer umgehen. Aufgrund ihrer formalen Rolle hat jede Führungskraft für das reibungslose Funktionieren des jeweiligen Systems zu sorgen. Es ist allerdings zu beobachten, dass sich der Erfolg oder Mißerfolg von Interventionen bei Konflikten in hohem Maße danach bestimmt, wie die Führungskraft ihre Vorgesetztenrolle bislang ausgestaltet hat, wie sie also als „Chefin“ oder als „Chef“ bislang von den Mitarbeitern wahrgenommen wurde, in welcher Beziehung sie zu den jeweiligen Konfliktparteien stand und aktuell steht, ob sie selbst eine der Konfliktparteien repräsentiert und welche Relation sie zu ihren Kontrahenten hat.

Die besten Chancen haben Interventionen von Führungskräften, die von ihren Mitarbeitern bislang in menschlicher wie fachlicher Hinsicht gut akzeptiert wurden, die ihre Rolle als Vorgesetzte wie selbstverständlich ausfüllen, die zu keiner der Konfliktparteien bislang sehr intensive oder gar intime Kontakte unterhalten haben und die in den aktuellen Konflikt nicht verstrickt sind. Alle diese Aspekte gilt es nun mit der jeweiligen Führungskraft im Coaching zu rekonstruieren.

(2) Nach diesen vorbereitenden Überlegungen muß der Coach die Führungskraft unterstützen, die aktuell „richtige“ Interventionsstrategie auszuwählen und zu applizieren.

In der Literatur zum Konfliktmanagement (Rüttinger 1977, Glasl 1984 u.a.) findet sich eine ganze Reihe potenzieller Maßnahmen zur Konfliktregulation wie die Moderation, die Prozeßbegleitung, die Vermittlung und Machteingriffe. Ihre Anwendung wird je nach dem Eskalationsgrad empfohlen. Sie beinhalten mehr oder weniger tiefgreifende psychologische Zugriffe auf die Konfliktparteien, oder sie intendieren Rollenkonstellationen, die mit einer Vorgesetzten/Mitarbeiter-Beziehung prinzipiell unvereinbar sind. Bei genauerer Betrachtung lassen sich von diesen Interventionsstrategien einer Führungskraft nur die Moderation und Machteingriffe empfehlen (vgl. Schreyögg 2002).  

Durch Moderation können in frühen Eskalationsstadien, also innerhalb der 1. Eskalations-Hauptstufe, wenn das Geschehen noch nicht sehr emotionalisiert ist, Streitthemen mit ihren jeweiligen Facetten gesichtet und geklärt werden. Dadurch will man die Parteien zu eigenständigen Lösungswegen animieren. Dieses Handlungsmuster verträgt sich auch gut mit der Rolle eines großzügigen Vorgesetzten. Es eignet sich beispielsweise für Situationen, in denen die Mitarbeiterschaft in zwei Flügel zerfällt. Die Moderatorenrolle setzt allerdings eine gewisse Unparteilichkeit voraus, so dass sie in Fällen, in denen die Führungskraft selbst ins Zentrum des Konfliktes geraten ist, nicht mehr in Frage kommt.

Wenn eine Führungskraft einen Konflikt moderieren will, sollte sie im Coaching mit Methoden der Gesprächsführung vertraut gemacht werden und mit einigen prozessualen Regeln der Moderation, dass etwa die Themen zu Beginn einer Sitzung gemeinsam mit den Teilnehmern festgelegt werden müssen, dass es am Ende empfehlenswert ist, mit allen Beteiligten überprüfbare Vereinbarungen zu treffen usw.

Bei Eskalationen, die sich auf die 2. oder sogar die 3. Hauptstufe ausgedehnt haben, muß eine Führungskraft Machteingriffe applizieren. Hierbei handelt es sich um klare Anweisungen, die typischerweise nur von formalen Vorgesetzten gegeben werden können. Sie stellen nämlich institutionalisierte asymmetrische Interaktionen dar. Im Prinzip handelt es sich dabei um traditionelle, möglichst emotionslose Führungshaltungen, die Anweisungen und ihre Kontrolle beinhalten. Da jüngere Führungskräfte noch wenig Erfahrung haben, solche Maßnahmen zu applizieren, agieren sie bei solchen Gelegenheiten oft zu verunsichert oder zu überschießend, so dass die gewünschte Wirkung, nämlich einen Eskalationsstop zu erreichen, vielfach verfehlt wird. Aus diesem Grund sollte der Coach besonders Machteingriffe mit der Führungskraft sorgfältig vorbereiten.

3.3.  Coaching zur Konfliktstimulation

Die Förderung von Konflikten im Sinne von „Konfliktstimulation“ wurde erst seit einigen Jahren umfassender thematisiert (vgl. De Dreu & Van de Vliert 1997). Im Prinzip lassen sich für jede Organisation, die ein höheres Maß an Lernfähigkeit anstrebt, positive Wirkungen postulieren etwa durch bewußt herbeigeführte Kritik, die immer ein gewisses Konfliktpotential mobilisiert. Eine besondere Bedeutung erhalten solche konfliktstimulierenden Maßnahmen bei Organisationen, die schon „Vergreisungserscheinungen“ aufweisen. Dann muss es den Führungskräften daran gelegen sein, durch das Inszenieren zumindest milder Konflikte eine Streitkultur zu entwickeln. Heute finden wir allerdings auch zunehmend Formen „institutionalisierter Konfliktstimulation“ etwa bei Mitgliedern von Gleichstellungsabteilungen oder von Abteilungen für Qualitätsmanagement. Hierbei handelt es sich dann um Mitarbeiter, die schon qua Aufgabenerfüllung das Bestehende zu kritisieren haben und damit automatisch Konflikte anzetteln müssen.

Führungskräfte sollten qua Coaching überall dort zur Konfliktstimulierung animiert werden, wo Arbeitsgruppen im Sinne von Groupthink zu Einheitsmeinungen neigen oder wo sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg starke Organisationskulturen in einem System gebildet haben und immer die gleichen altbewährten Handlungsmuster praktiziert werden. Hier wird es im Coaching prinzipiell darum gehen, die Führungskraft zu unterstützen, dass sie im jeweiligen System zielstrebig eine möglichst gut funktionierende Diskussions- und Streitkultur entwickelt. Erst in solchen Situationen gewinnt eine Organisation wieder höhere Grade von Lernfähigkeit zurück (Schreyögg 2002). 
 
4. Konfliktpotentiale bei Fusionen

Das bei einem Firmenzusammenschluß mobilisierte Konfliktpotential bestimmt sich in erster Linie nach dem Anspruch an die Integration der Systeme: 

• Wenn z.B. eine neue Firma nur nominell in ein Firmenimperium eingereiht wird, ohne dass seitens einer Mutterfirma ein besonderer Anspruch an die Integration erhoben wird, erweist sich das Konfliktpotential als vergleichsweise gering. So ist z.B. Bertelsmann beim Erwerb des amerikanischen Verlages Random house verfahren. Der Verlag blieb im wesentlichen wie er war, nur auf Vorstandsebene erfolgte eine personelle Neubesetzung durch einen Bertelsmann-Manager, dem nun von den nachgeordneten Führungskräften berichtet werden muß.

• Das andere Extrem ist eine Fusion mit maximalem Integrationsanspruch, wo also zwei Firmen möglichst vollständig verschmolzen werden. Realiter soll dabei eine neu erworbene Firma mit ihrer Produktlinie, ihrem Vertrieb usw. in eine bereits vorhandene integriert werden. Oder noch genauer gesagt, eine dominante Muttergesellschaft versucht eine neu erworbene Tochter zu integrieren. Das hierbei mobilisierte Konfliktpotential bestimmt sich hochgradig nach dem wirtschaftlichen Zustand der übernommenen Firma und nach der Konkurrenz versus Komplementarität, die beide Firmen vor der Übernahme aufwiesen. Es zeigt sich immer wieder, daß Mitglieder von sanierungsbedürftigen Firmen bei Übernahme ihrer Firma ausgesprochen kooperationswillig sind, weil die Fusion oft die einzige Möglichkeit ist, ihre Arbeitsplätze zu sichern. Firmen, die eine sich ergänzende Produktpalette aufweisen, fusionieren natürlich auch reibungsloser als Firmen mit vergleichbaren Produkten, die schon jahrelang miteinander konkurriert haben.  

Das jeweilige Konfliktpotential ist aber noch nach anderen Gesichtspunkten zu gliedern:

(1) So läßt sich behaupten, dass auf individueller Ebene jede Fusion von den Führungskräften, deren Firma „freundlich“ und erst recht wenn sie „feindlich“ übernommen wurde, als Kränkung erlebt wird. Man stelle sich vor, wie im Falle von Mannesmann/Vodafone geschehen, Manager wachen morgens auf und erfahren aus der Presse, dass sie ab jetzt Mitglieder von Vodafone sind, obwohl sie sich doch monatelang mit einem enormen Kraftaufwand bemüht haben, ihre Aktionäre davon zu überzeugen, dass es besser wäre, in der Hand von Mannesmann zu bleiben. Solche Prozesse verlangen den Führungskräften eine fast übermenschliche Selbstdisziplin in emotionaler Hinsicht ab, um jetzt auch den „neuen Herren“ in loyaler Weise dienen zu können. In den letzten Jahren, in denen sich die Fusionen dramatisch mehrten, wurde immer deutlicher, dass viele Führungskräfte gar nicht daran denken, sich solchen Anforderungen auszusetzen. Sie wechselten vielfach schon im Vorfeld in ein anderes Unternehmen. Auf diese Weise fließt natürlich ein hohes Maß an Wissen aus einer jeweiligen Firma ab, so dass Fusionen schon aus diesem Grund oft wenig erfolgreich sind bzw. heute zunehmend riskanter werden.

(2) Andere wichtige Konfliktpotentiale ergeben sich daraus, wie die Interaktionen der beiden Firmen vor und nach der Fusion gestaltet werden. So ist es keineswegs unbedeutend, ob und wie sie vor der Übernahme konkurriert haben. Wenn es sich um ein sehr striktes Konkurrenzverhältnis handelte wie es etwa bei einer potentiellen Fusion von der Deutschen mit der Dresdner Bank befürchtet wurde, sind verhältnismäßig umfassende Ressentiments der Mitarbeiter untereinander zu erwarten, durch die alle Hierarchieebenen infiltriert sind und die dann später alle relevanten Kooperationen überlagern können. Als schwerer faßbare Konfliktpotentiale erweisen sich Unverträglichkeiten der Organisationskulturen. Seit Peters & Waterman (1982) und besonders seit Schein (1995) wissen wir, daß jedes organisierte System ein eigenes, unverwechselbares kollektives Sinnsystem ausbildet. Das heißt, auf der Basis kulturanthropologischer Interpretationen lassen sich Organisationen wie "Miniaturgesellschaften“ betrachten, die ganz spezifische Symbolsysteme mit ihrer jeweiligen Sprache, Kleidung usw. aufweisen, die eigene Normen und Standards entwickeln und die grundlegende anthropologische Überzeugungen über die Umwelt, über den Menschen usw. entfalten. Organisationskulturen bilden sich in der Regel unbemerkt über die tagtäglichen Kommunikationsakte der Menschen innerhalb einer Organisation. So sind sie wie etwa zwei unterschiedliche Südseestämme auch nicht sofort miteinander kompatibel. Entscheidungsprozeduren, Sitzungsrituale usw., die in der einen Organisationskultur üblich sind, stoßen bei Mitgliedern der anderen vielleicht auf Ärger oder Unverständnis. Die Zusammenarbeit klappt jedenfalls nicht sofort reibungslos. Eine Verschärfung erhält das gegenseitige Nichtverstehen durch Fusionen auf internationaler Ebene. So berichten z.B. deutsche Führungskräfte aus Firmen, die mit einer französischen Firma fusioniert haben, daß sie sich überhaupt erst auf die verstärkt patriarchalischen Muster der Franzosen einstellen mußten. Auch bei deutsch-englischen Fusionen werden eine Vielzahl von konfliktgeladenen Unterschieden berichtet. So waren die Mannesmann-Manager bei ihren ersten Gesprächen mit dem Vodafone-Staff sehr erstaunt, welche strikten hierarchischen Anforderungen beim Berichtswesen in England üblich sind. Und Führungskräfte der Firma BMW, die ja vorübergehend Rover übernommen hatte, erlebten immer mal wieder im englischen Werk, daß sie schon morgens mit einem Heil-Hitler-Gruß auf die Nazivergangenheit der Deutschen angesprochen wurden.

(3) Nun muß ohnedies jeder Manager, dessen Unternehmen ein anderes übernimmt, mit einem erhöhten Konfliktpotential auf systemischer Ebene rechnen. Bei Fusionen geht es ja regelmäßig um Veränderungen der Unternehmensstrategie und der organisatorischen Strukturen. Und das zieht immer einen mehr oder weniger hohen Änderungswiderstand nach sich. Die Organisationsmitglieder haben zunächst einfach Angst, ihre bislang erworbenen Routinen zu verlieren, bzw. sich in allen ihren Handlungsvollzügen umstellen zu müssen. In einem faktischen Sinn befürchten sie aber auch Privilegien zu verlieren. Da es sich bei Organisationen immer um soziale Gebilde handelt, besteht die Gefahr, dass die Organisationsmitglieder sich in ihren Ängsten und Befürchtungen gegenseitig bestätigen und diese dadurch ein unvorhergesehenes Ausmaß annehmen. Die Führungskräfte stehen dann vor einem kaum zu bewältigenden Konfliktpotential.

5. Empfehlungen für das Coaching

Was folgt nun aus allen diesen Überlegungen fürs Coaching? Als allgemeine Leitlinie läßt sich zunächst sagen, je höher der Anspruch an die Integration eines Firmenzusammenschlusses ist, desto höher steigt das Konfliktpotential und desto mehr Personalentwicklungsmaßnahmen sollten zur Unterstützung ergriffen werden. Dabei erweist es sich als günstig, wenn einzelne Maßnahmen der Personalentwicklung – so auch das Coaching- in ein Gesamtpaket entsprechender Aktivitäten eingebaut werden. 

(1) Coaching zur Konfliktprophylaxe

Bei Fusionen ist generell sinnvoll, daß die Manager beider Firmen möglichst frühzeitig eine offene Kommunikation über die Visionen und die strategischen Ziele führen. Dann sind alle Führungskräfte möglichst rechtzeitig über die geplanten Veränderungen und ihren zeitlichen Rahmen informiert. Dabei empfiehlt es sich, ein oder auch mehrere Projektteams zu etablieren, die eine Strukturierung des gesamten Integrationsprozesses erarbeiten. Sie sollten mit Mitgliedern beider Firmen paritätisch besetzt sein und sie sollten einen Rahmen für die inhaltlichen und zeitlichen Aspekte der Integration erarbeiten. Zur Förderung der kulturellen Integration sollten ebenfalls Projektteams ins Leben gerufen werden, die auch mit Teilnehmern aus beiden Firmen besetzt sind. Sie beschäftigen sich zunächst mit der Analyse der unterschiedlichen Kulturen.

Schon in diesem frühen Stadium erweist sich ein Führungskräfteaustausch als günstig, wenn nämlich Manager der Mutterfirma für eine bestimmte Zeit bei der Tochterfirma tätig werden und umgekehrt. Und diese Führungskräfte lassen sich nun idealerweise durch Coaching unterstützen: Im Rahmen von Kleingruppencoachings mit 5 bis 6 funktions- und hierarchie-gleichen Personen, die sich aus beiden Firmen zusammensetzen, beschäftigt man sich in der Gruppe mit allen Ereignissen, die den Führungskräften aus ihrem Arbeitsalltag relevant erscheinen. Dabei sollte der Coach insbesondere die kulturellen Unterschiede akzentuieren und durch Rollentausch das Verständnis der Teilnehmer für die Perspektivität des jeweils anderen fördern. Ein anderes wichtiges Ziel dieses Coachings wäre, mit den Führungskräften zu erarbeiten, wie sie ihre Mitarbeiter auf die kulturellen Unterschiede und deren Handhabung vorbereiten.

(2) Coaching zur Konfliktbewältigung

Wenn Führungskräfte einer Firma bereits im Vorfeld einer Fusion oder in ihren Anfängen mit Coaching vertraut gemacht wurden, wird es für sie auch geradezu selbstverständlich sein, bei Konflikten unterschiedlicher Art Coaching von sich aus in Anspruch zu nehmen. Idealerweise stehen hierfür Coaches in einer Personalentwicklungsabteilung zur Verfügung oder zumindest Mitarbeiter, die einen externen Coach vermitteln können.

Neben einem bedarfsorientierten Coaching, das einzelne Führungskräfte auf eigne Initiative in die Wege leiten, empfiehlt es sich bei Fusionen, die immer von einer Vielzahl von Konflikten begleitet sind, zumindest im ersten Jahr der Fusion und zumindest für die neu ernannten Führungskräfte Kleingruppencoaching zu veranstalten. In diesem Rahmen, der bei  Bedarf mit Personen beider Unternehmen besetzt sein sollte, ergibt sich im Verlauf des Coachingprozesses bei funktions- und hierarchie-gleicher Besetzung immer ein hohes Maß an Gruppensolidarität. In diesem Rahmen ist aber besonders gut möglich, dass der Coach mit der Gruppe Konfliktbewältigungsstrategien erarbeitet, die für die fusionierte Unternehmung besonders kulturkonform sind. Dann lassen sich adäquate Möglichkeiten der Moderation, aber auch passende Formen von Machteingriffen „kreieren“.

(3) Coaching zur Konfliktstimulation

Gerade beim Post-Merger-Management ist es aber vielfach auch notwendig, Konflikte zu stimulieren. So kann es bei Firmen, die über Jahre oder womöglich über Jahrzehnte hinweg immer nur die gleichen Strategien und Handlungsmuster praktiziert haben, notwendig sein, die gesamte Belegschaft „aufzurütteln“. Solche Prozesse, die immer durch ein hohes Maß an Kritik des Bisherigen begleitet sind, bergen die Gefahr von Demotivierung. Gerade hierbei kann Coaching oft ausgezeichnete Unterstützung bieten, die dabei entstehenden „Minikonflikte“ zur Fortentwicklung der Firma zu nutzen. Dann geht es nicht nur um die Kreation von entsprechenden Maßnahmen, dass etwa Konkurrenzprozesse zwischen unterschiedlichen Abteilungen initiiert werden, dann geht es auch um die Entwicklung von Führungsstrategien, dass nämlich die „angezettelten“ konfliktären Prozesse nicht entgleisen, dass sie also auf die Sachebene und damit auf die ersten Eskalationsstufen begrenzt bleiben.

Eine zentrale Voraussetzung fürs Coaching wie auch für alle anderen Maßnahmen der Personalentwicklung bei Fusionen ist aber deren Akzeptanz auf der Vorstandsebene. Wie einschlägige Berichte zeigen, erweist es sich als vorteilhaft, wenn schon weit vor einer angestrebten Fusion, der Personalvorstand auch auf der Basis einer möglichst „satten“ informellen Position unterschiedlichen Strategien der Personalentwicklung hohe Geltung verschafft. Auf diese Weise ließen sich z.B. die Übernahme von Skoda durch VW und die Übernahme von Namur durch Gerling weitgehend konstruktiv bewältigen.

 

Literatur:

Baron, R. A. (1997): Positive Effects of Conflict: Insights from Social Cognition. In: De Dreu, C., Van de Vliert, E. (ed.): Using Conclict for Organization. Sage Publications. London, Thousand Oaks, New Delhi.

Bonacker, Th. (1996): Konflikttheorien. Leske & Budrich. Opladen.

Coser, L. (1956): The Social Functions of Conflict. New York.

Crozier, M., Friedberg, E. (1979): Macht und Organisation. Athenäum Verlag, Königstein.

Dahrendorf, R. (1961): Gesellschaft und Freiheit, München.

De Dreu, C., Van de Vliert, E. (ed.)(1997): Using Conflict for Organization. Sage Publications. London, Thousand Oaks, New Delhi.

Fisher, R., Ury, W., Patton, B. (1998): Das Harward-Konzept. Sachgerecht verhandeln, erfolgreich verhandeln. 17. Aufl., Campus, Frankfurt/M., New York.
   
Glasl, F. (1994): Konfliktmanagement. 4. Aufl.,Paul Haupt Bern, Freies Geistesleben, Stuttgart.

Königswieser, R. (1987): Konfliktbehandlung. In. Kieser, A., Reber, G., Wunderer, R. (Hg.): Handbuch der Führung, Poeschel, Stuttgart.

Krüger, W. 1972): Grundlagen, Probleme und Instrumente der Konfliktbehandlung in der Unternehmung. Duncker & Humblott, Berlin.

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Autorin: Dr. Astrid Schreyögg, Dipl.-Psych.; Lehr- und Beratungsaufträge im In- und Ausland, Autorin von Lehrbüchern zu Supervision und Coaching..
Anschrift: Breisgauer Str. 29, D-14129 Berlin.

Zusammenfassung:

In diesem Beitrag wird gezeigt, dass bei Fusionen, also Firmenzusammenschlüssen, ein hohes Konfliktpotential mobilisiert wird. Dieses lässt sich aber durch spezifische Maßnahmen der Personalentwicklung erheblich mildern. Dabei kommt dem Coaching der Führungskräfte eine besondere Bedeutung zu, denn gerade sie haben als Zentralfiguren der Post-Merger-Situation zu fungieren. 

Summary:

This article deals with problems during mergers and acquisitions. It is proposed a positive influence of personal development methods in such cases. From all these methods has coaching for the conductors a special importance, because they have to guarantee a successful post-merger-situation.


Schlüsselworte:
Konflikte, Coaching, Fusionen, Fusionsmanagement.

Keywords:
Conflict, Coaching, Merger, Acquisition, Post-merger-Management..