Die Zukunft des Coachings

Die Zukunft des Coachings

Prognosen für Coaching im nächsten Jahrzehnt lassen sich angesichts der Zielgruppe, also Führungskräfte in unterschiedlichen Organisationstypen, formulieren. Wenn wir die voraussichtliche Entwicklung von Organisationen und die damit verbundenen Anforderungen an Führungskräfte betrachten, erschließt sich uns der voraussichtliche Bedarf fürs Coaching. Im folgenden zeige ich, dass
• unterschiedliche Organisationstypen im nächsten Jahrzehnt einem umfassenden Wandel unterworfen sind, dass
• sich daraus voraussichtlich erhöhte Anforderungen an alle Mitarbeiter ergeben.
• Dadurch wird auch bei Führungskräften ein erhöhter Bedarf an Personalentwicklungsmaßnahmen – und damit fürs Coaching entstehen.   

1. Der voraussichtliche Wandel von Organisationen in den nächsten Jahrzehnten

Seit Beginn der Industrialisierung bis heute beobachten wir einen enormen Wandlungsprozess der Arbeitswelt. Zu Beginn des 20. Jahrhundert tauchte ein neuer Typ von Sozialsystemen auf. Im Gegensatz zu traditionellen Betrieben, in denen laufend improvisiert wurde und der Patriarch nach Gutdünken Anweisungen gab, entwickelten sich nun soziale Gebilde, in denen Willkürherrschaft durch viele personenunabhängige Regeln ersetzt wurde. Der einzelne war jetzt vor den Launen seines Arbeitgebers geschützt und hatte eine Position inne, die durch spezifische Aufgaben, Weisungsbefugnisse und sogar durch Beschwerdewege charakterisiert war. Diese von Max Weber (1921) als „Bürokratie“ beschriebene Organisationsform setzte sich in der Folgezeit in allen Systemen von Wirtschaft und Verwaltung durch. Sie bildete sogar das übliche Muster sozialer Dienstleistungssysteme wie etwa von Schulen. Die Bürokratie avancierte zum Prototyp ihrer Epoche in allen westlichen Industrienationen und fast noch ausgeprägter in sozialistischen Ländern. Denn sie ersetzte ja nun die Willkürherrschaft von einzelnen durch strukturelle, rational bestimmte Macht (Bosetzky & Heinrich 1994). Der „gesellschaftliche Fortschritt“, der dem Bürokratiemodell – im Vergleich zu früheren, feudalherrschaftlichen Zeiten – innewohnt, musste aber „durch den potentiellen   Freiheitsentzug des einzelnen erkauft“ (Habermas 1981) werden. Menschen sahen sich in ein Maschinen ähnliches Prokrustesbett gezwungen. Dieser Umstand führte im Verlauf der 70er Jahre zu einer breiten Front von Bürokratiegegnern, die der „Human-Resources-Bewegung“ angehörten. Sie forderten Organisationen, die den menschlichen Potentialen umfassend Rechnung tragen (Argyris 1975). Ab den 80er Jahren wurde allerdings immer deutlicher, dass bürokratische Strukturen auch in wirtschaftlicher Hinsicht vergleichsweise ineffizient sind. Jetzt setzte sich die Meinung durch, dass Organisationen mit einem umfassenden Regelwerk nicht ausreichend manövrierfähig sind, um neue Märkte schnell und treffsicher zu bedienen. Vor allem ausgeprägte hierarchische Strukturen wurden jetzt als Hemmnis für eine rasche Entscheidungsfindung entlarvt. Bis nämlich die vielen Instanzen ihre Zustimmung oder Ablehnung  zu einer Angelegenheit kundtun können, verstreicht im Allgemeinen zu viel Zeit. Außerdem entlarvte man viele in Bürokratien übliche Routinen als unsinnige „Kostenfresser“. Für die Mitarbeiter beinhaltet zwar Handeln auf der Basis von Routinen einerseits Langeweile, andererseits aber psychische Entlastung. Denn dabei müssen sie ja nicht selbst entscheiden und selbst die Verantwortung für ihre Aktionen übernehmen. So wirken Routinen für Mitarbeiter stabilisierend. Eigentümer von Firmen oder Aktionäre beurteilen sie aber als „teuren Lehrlauf“.

Diese antibürokratischen Überzeugungen führten seit den 80er Jahren in den USA und im Verlauf der 90er auch in Europa zu umfassenden Umbauten in Organisationen, zuerst in Wirtschaftsunternehmen, im weiteren Verlauf in der öffentlichen Verwaltung und in den letzten Jahren sogar im sozialen Dienstleistungsbereich.

1.1. Wandel in Wirtschaftsunternehmen

Die strukturellen Korrekturen führten in der Wirtschaft zur Flexibilisierung von Organisationen, so dass die Soziologen Lash & Urry  (1987) vom „flexiblen Kapitalismus“ als genereller gesellschaftlicher Entwicklung sprechen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger dem „organisatorischen Kapitalismus“ befördere das aktuelle Wirtschaftssystem nur noch schwach organisierte Systeme. Nach Sennett  (1998) sind sie durch drei Merkmale charakterisiert:

 Re-engeneering,
• Flexibilisierung aller Arbeitsprozesse und
• Dezentralisierung.

(1) Re-engeneering beinhaltet den Totalumbau von Firmen. Dafür werden Unternehmensberater von traditionellen Beratungsfirmen wie McKinsey engagiert. Sie verheißen Unternehmen eine „total effiziente“ formale Struktur. Jetzt werden alle Geschäftsstrategien im Hinblick auf verzichtbare Routinen durchforstet und es werden etliche Mitarbeiter „freigesetzt“. Solche Prozesse binden immer viel Energie, denn die neue Struktur muss ja mit Leben gefüllt werden. Die Entlassungswellen erzeugen bei den Verbleibenden Frustration. Allerdings verlassen in solchen Fällen die besten Mitarbeiter das Unternehmen schon von sich aus, weil sie die  Umstrukturierung als Kränkung erleben. Sie sehen sich nämlich auf indirekte Weise für ihre bisherige Arbeitsleistung abgestraft. Durch Kündigungen geht aber oft Expertenwissen verloren. Neue Mitarbeiter müssen erst in langwierigen Prozessen eingearbeitet werden.

(2) Die Flexibilisierung von Arbeitsprozessen ist ein weiteres Charakteristikum des „neuen Kapitalismus“. Vorläufer waren Automobilhersteller wie etwa VW, die ihre Produktion neu gestalteten, indem sie alle überflüssigen Routinen abschafften, selbststeuernde Arbeitsgruppen bildeten und Arbeitsplätze schufen, die jeden Mitarbeiter zur maximalen Effektivität zwingen. Ein hohes Maß an Flexibilität haben die Firmen auch in einem anderen Punkt bewiesen: Heute verlagern sie einen Großteil der Innenausstattung, der Karosserie usw. an eigenständig operierende Zulieferbetriebe. Diese können sich aufgrund ihrer geringen Größe flexibler auf den Bedarf der Zentralfirma einstellen, außerdem produzieren sie grundsätzlich preiswerter. Durch gut gemanagtes Outsourcing erwirtschaften sich heute viele Firmen einen Marktvorteil, so dass manches Unternehmen wie etwa VW  ganze Netzwerke von Zulieferfirmen um sich schart (Sydow 1999).

(3) Ein anderes Thema im „neuen Kapitalismus“ ist das „Lean Management“.  Seit ausgeprägte Hierarchien als Effizienzblockaden identifiziert wurden, versucht man sie zu reduzieren. In einer Publikation von Womack et al. (1991) die im deutschsprachigen Raum unter dem Titel die „Zweite Revolution in der Autoindustrie“ erschien, wurde allen Firmenchefs nahe gelegt, ihre Organisation auf unnötige Hierarchieebenen hin zu „bereinigen“. Anstatt Entscheidungskompetenzen immer nur oberen Etagen zuzubilligen, sollten nun „die da unten“ mehr als früher mitbestimmen. Das Ergebnis solcher Kampagnen besteht äußerlich darin, dass jetzt erstmalig auch  hochrangige Führungskräfte ihren Arbeitsplatz verlieren. Ein anderer Effekt von Lean-Management-Projekten ist, dass sich Mitarbeiter oft überfordert fühlen und dann mit Fehlzeiten reagieren (Sennett 1998).

1.2 Wandel in Organisationen der öffentlichen Verwaltung

Verwaltungssysteme wie Bundes-, Landesbehörden oder kommunale Verwaltungen galten mit ihren ausgefeilten bürokratischen Mustern zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Modell für die Gestaltung von Unternehmen. Heute besteht ein umgekehrtes Verhältnis. Derzeit stellen Entwicklungen im ökonomischen Bereich Folien dar für die Umgestaltung von Verwaltungssystemen. Diese sind durch drei Aspekte charakterisiert:
• die Reduktion „bürokratischer Sozialisation“ der Organisationsmitglieder,
• das „New Public Management“ und
• neue Formen der Personalarbeit.

(1) Reduktion der bürokratischen Sozialisation

In Verwaltungssystemen führten bürokratische Strukturen zu Organisationskulturen, die typische Verformungen der Organisationsmitglieder nach sich zogen. Bosetzky & Heinrich (1994) sprechen von einer bürokratischen Sozialisation“, die sich in „bürokratischen Persönlichkeiten“, im Extremfall im „Büropathen“ manifestiert (ebd. 1994, S. 313). Als Merkmale nennen die Autoren Rigidität, Dogmatismus, mangelnde Risikobereitschaft und niedrige Kreativität. Merton (1968) machte schon darauf aufmerksam, dass typische Tugenden von Bürokraten wie Disziplin und Regeltreue im Verlauf des Berufslebens zum Selbstzweck werden. Im Sinne einer Zielverschiebung wandeln sie sich beim „Vollbürokraten“, der vielfach „Volljurist“ ist (Bosetzky & Heinrich 1994, S. 315), oft zu penetrantem Formalismus. Wenn in Behörden viele derart sozialisierte Organisationsmitglieder tätig sind, finden wir kollektive Verdichtungen oben beschriebener Tendenzen zu „bürokratischen Kulturen“. Im Extrem orientieren sich alle nur noch an Regeln und Vorschriften, wodurch jede Innovation verhindert wird.

(2) „New Public Management„  

In den letzten Jahrzehnten erwiesen sich bürokratische Strukturen in der Verwaltung nicht nur als menschlich deformierend, sondern auch als neffizient. Deshalb baut man heute in vielen Systemen dysfunktional verkrustete Strukturen ab, um sie in wirtschaftlich effiziente wie bürgernahe Organisationen zu verwandeln. Diese „postmoderne Verwaltung“ (König 1997) stellt eine internationale Erscheinung dar, die unter dem Stichwort „New Public Management“ (NPM) für zahlreiche, zum Teil sehr unterschiedliche Reformansätze steht. Sie bilden eine Antithese zu klassisch bürokratischen Strukturen (Budäus 1998).

(3)Neue Formen der Personalarbeit

Das bisherige Verständnis von Personalarbeit in der öffentlichen Verwaltung entspricht leider bis heute kulturellen Mustern der bürokratischen Ära. Oechsler & Vaanholt (1998) beschreiben es als „technokratisch-administrativ“. Angesichts mancher Reformprojekte, die beispielsweise Leistungsanreizsysteme beinhalten, sei aber in den nächsten Jahren ein umfassender Reformstau zu erwarten. Die Autoren postulieren, dass die gesamte Personalarbeit als „weicher“ Faktor in den nächsten Jahren eine umfassende strategische Neuausrichtung erfahren wird. Das gelte voraussichtlich für die Personalplanung, -gewinnung, -beurteilung und –entwicklung. Heute geht es um Entwicklungen zur Kundenorientierung und zu einer erhöhten Effizienz, die auch durch entsprechende Konzepte der Personalarbeit zu begleiten sind. Die Mitarbeiterschaft soll im Sinne betriebswirtschaftlich verstandener Personalarbeit als wichtiges Potential betrachtet werden. Eine Forderung wäre, dass Personalplanung nicht mehr zentral erfolgt, sondern auf Führungskräfte verlagert wird, die unmittelbar Verantwortung tragen. Diese Planung sollte flexibler geregelt sein. Empirische Untersuchungen belegen den hohen Stellenwert von Zeugnisnoten und persönlichen Einstellungsgesprächen. In Behörden ist problematisch, dass Stellenbesetzungen bislang fast ausschließlich intern erfolgten und kaum zu revidieren sind. Eine strategische Personalauswahl sollte aber nach einschlägigen Fachkenntnissen und hohen sozialen Kompetenzen wie Kommunikations-, Konflikt- und Verhandlungsfähigkeit erfolgen.

Die Personalbeurteilung im Sinne von Leistungsbeurteilung und Potentialeinschätzung komme nach Meinung von Oechsler & Vaanholt (1998) bislang ebenfalls zu kurz. Sie erfolge nur bei Angestellten. Beurteilungen von Beamten werden entsprechend den Verwaltungsvorschriften geregelt. Ihre Beurteilung ist lediglich Informationsgrundlage für Verwendungsentscheidungen. Wenn zukünftig das Einkommen oder spezifische Zulagen auf der Basis von Leistungsfeststellungen bemessen werden sollen, müssen völlig neue Beurteilungssysteme entwickelt werden. Ein ganz entscheidender Punkt ist aber die Personalentwicklung. Sie sollte hier einerseits zur Aktualisierung und Erweiterung fachspezifischer Kenntnisse führen, sie sollte andererseits dem Erwerb genereller Fähigkeiten wie z.B. Lern-, Team-, Konflikt-, Kommunikations- und Entscheidungsfähigkeit dienen (Oechsler 1997).

1.3. Wandel in sozialen Dienstleistungssystemen

Bei sozialen Dienstleistungssystemen handelt es sich um Organisationen, deren Ziel darin besteht, Menschen zu verändern. Die Veränderungsziele lassen sich differenzieren nach
• dem Merkmal, das verändert werden soll,
• der Zielgruppe und
• dem Veränderungsprozess im Sinne von kurz- oder langfristig und im Sinne von ambulant oder stationär.

Die Veränderung somatischer Merkmale erfolgt in Kliniken, die kognitiver Merkmale in Schulen oder Universitäten, die Veränderung emotionaler Merkmale in psycho-sozialen Beratungsstellen usw. Jede Organisation ist auf eine bestimmte Zielgruppe gerichtet, Altenheimen beispielsweise auf alte Menschen, Kinderheimen auf Kinder usw. Außerdem kann die Veränderung lang- oder kurzfristig sowie stationär oder ambulant angelegt sein. Viele dieser Organisationen entwickelten sich als karitative Einrichtungen der Kirchen. Im fortschreitenden Säkularisierungsprozess wurden viele durch staatliche Instanzen übernommen, um heute zu großen Teilen erneut in die Hand von Kirchen zu gelangen oder in anderer Weise privatisiert zu werden. Sie alle sind aber heute ebenfalls zum Wandel gezwungen. Dieser ist vorrangig durch drei Aspekte charakterisiert:
• eine generelle Ökonomisierung des Sozialen,
• neue Formen des Qualitätsmanagements und 
• das „Sozialmanagement“ als neue Aufgabe.
       
(1) Die Ökonomisierung des Sozialen   

In allen westlichen Industrienationen zeichnet sich heute ein Trend zur „Ökonomisierung des Sozialen“ ab. Im Gesundheitswesen oder im Bereich der Bildung steht heute deutlicher als früher die Effizienz sozialer Dienste auf dem Prüfstand. Derzeit wird jede Maßnahme daraufhin befragt, ob sie „ihr Geld wert“ ist. Auch hier entlarvt man neuerdings bürokratische Verkrustungen als Effizienzblockaden und auch hier fahndet man nach Ritualen, die für Klienten oder Patienten keine Effekte erbringen. Im Zuge der Globalisierung müssen die nationalen Ressourcen sorgfältiger als bisher kalkuliert werden. So versucht man etwa die Kosten der Gesundheitssysteme in einem Rahmen zu halten, der für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im internationalen Vergleich tragbar ist. Für die Mitglieder dieser Systeme bilden solche Anforderungen einen Herd von Ärger oder Beunruhigung. Wenn man bedenkt, dass manche dieser Einrichtungen wie etwa die Alten- oder Krankenpflege Kulturen aufweist, die historisch weit zurück reichen, wird schnell deutlich, dass moderne ökonomische Anforderungen hier nur mühsam integrierbar sind. Und viele Schulen und Kliniken weisen bürokratische Kulturmuster auf, die mit effizienz-orientierten Handlungsweisen ebenfalls nicht kompatibel sind.    

(2) Qualitätsmanagement

Die „Ökonomisierung des Sozialen“ zog seit den 90er Jahren auch Anforderungen in Richtung Qualitätsmanagement nach sich. Heute wird eine zielbewusste Arbeit gefordert, die Qualitätsstandards erfüllt. Diese sind zunächst zu bestimmen, offen zu legen und zu operationalisieren. Idealerweise findet eine regelmäßige Evaluation statt. Die Mitarbeiter sollen kostenbewusst arbeiten und ihre Leistungen kostenmäßig erfassen. In manchen Bereichen wie der Altenarbeit oder Kinder- und Jugendhilfe ist die Qualitätssicherung heute sogar schon gesetzlich vorgeschrieben. Welche Modelle zur Qualitätskontrolle herangezogen werden, steht allerdings im Belieben der jeweiligen Träger. Sie entwickeln oft eigene Systeme, orientieren sich aber meistens an traditionellen Mustern wie dem TQM oder dem EFQM.

 (3) „Sozialmanagement“ als neue Aufgabe

Dementsprechend stellt auch die Steuerung dieser Systeme neue Anforderungen. Während sich Schulleiter früher darauf berufen konnten, dass sie ihre Position wegen ihrer Verdienste als „besonders gute“ Lehrer erhielten, und sich Chefärzte noch in ihrem Ruf als „besonders gute Ärzte“ sonnen konnten, reicht das für eine Führungsposition heute nicht mehr aus. Neben der fachlichen Qualifikation müssen Führungskräfte heute über ein Expertentum als „Sozialmanager“ verfügen. Dazu gehört die Übernahme von Managementfunktionen wie die Planung, die Führung oder die Kontrolle. Besonders die Führung stellt einen neuralgischen Punkt dar. Wenn Lehrer oder Berater eine Führungsposition übernehmen, neigen sie dazu, diese so auszufüllen, wie sie früher mit Schülern oder Klienten interagierten. Das aber zieht oft Verärgerung der Unterstellten nach sich, weil sie sich in inadäquater Weise angesprochen fühlen. Außerdem müssen Führungskräfte auch in diesen Milieus heute in reflektierter Weise Managementrollen wie etwa die des „Ressourcenzuteilers“ (Mintzberg 1975) realisieren. Neben technischen Managementkompetenzen wie Qualifikationen für die Budgetverwaltung benötigen sie vielfältige soziale Kompetenzen, die sie zur Entwicklung neuer, stärker unternehmerisch geprägter Kulturmuster befähigen.   
                
2. Die voraussichtlichen Anforderungen an Führungskräfte in den nächsten Jahrzehnten

Von den beschriebenen Entwicklungen sind vor allem die Führungskräfte betroffen. Sie haben

• die organisatorischen Veränderungen zu exekutieren. Dabei müssen sie
• oft in Teams mit verschiedenen Fachleuten kooperieren, und sie müssen noch mehr als ihre Mitarbeiter
• Abschied nehmen von ihrer Arbeitsgeschichte und ihren ursprünglichen Vorstellungen.   

2.1. Die Exekution der Veränderung

Richard Sennett (1998) betont, dass die heute in der Arbeitswelt verlangte Flexibilität ein hohes Maß an Angst mobilisiert: Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, Angst, die Beziehung zu den Kollegen einzubüßen, Angst vor neuen Technologien usw. Führungskräfte haben dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter trotz ihrer Ängste das Neue realisieren, dass sie nicht vor neuen Technologien zurückschrecken, dass sie trotzdem neue Kooperationsformen realisieren usw. Das stellt enorme Anforderungen an Führungskräfte. Sie sind ja ebenfalls laufend mit dem Neuen konfrontiert und auch sie erleben Ängste. So haben sie nicht nur viele Innovationen zu realisieren und die dabei auftretende Angst zu verarbeiten, sie müssen sogar noch ihre Mitarbeiter animieren, es ihnen gleich zu tun, eben auch das Neue zu integrieren und erfolgreich zu handeln. Führungskräfte haben ein enormes Maß an Komplexität zu verarbeiten und sind dazu laufend mit der Anforderung konfrontiert, die eigene psychische Situation zu stabilisieren. Dabei gelangen sie in intellektueller wie emotionaler Hinsicht oft an ihre Grenzen.       

2.2. Die Kooperation in Teams

Heute lassen sich viele Aufgaben nur lösen, wenn Vertreter verschiedener Disziplinen zusammen arbeiten. Das aber erhöht die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, denn Vertreter unterschiedlicher Disziplinen transportieren auch ein je spezifisches Verständnis. So akzentuieren etwa in einem Team, das sich mit Innovationen des Gesundheitsbereichs beschäftigt, die Mediziner den somatischen Aspekt, die Psychologen den psychischen, Ingenieure den technischen und Volkswirte den ökonomischen. Über die Priorität der jeweiligen Perspektivität gelangen die Fachvertreter leicht in Kontroversen und im Weiteren oft in emotionalisierte Eskalationen. Führungskräfte haben dafür zu sorgen, dass die fachlichen Divergenzen in eine konstruktive Streitkultur münden und sich nicht zu unproduktiven Eskalationen auswachsen. Das aber setzt Qualifikationen des Konfliktmanagements voraus, über die viele Führungskräfte nicht verfügen (Schreyögg 2002)  

2.3. Abschied von der individuellen Arbeitsgeschichte

Im Zeitalter des „flexiblen Kapitalismus“ müssen sich Menschen auch von der Vorstellung verabschieden, dass sie ein Leben lang ein und dieselbe Tätigkeit in ein und derselben Organisation in ein und derselben Funktion ausüben können. Solche Anforderungen gelten auch für Führungskräfte. Sie haben sich ebenso von der Idee zu verabschieden, dass sie durch Dienstjahre an Autorität und an Einkommen gewinnen. Und sie müssen sich mit ihrem Alterungsprozess auseinandersetzen. Heute wird nämlich Flexibilität mit jung sein gleich gesetzt und älter werden mit Erstarrung. Jungen Führungskräften eröffnen sich als High Potentials ungleich bessere Aufstiegschancen als älteren. Deshalb entstehen bei vielen Führungskräften im Verlauf ihrer Karriere Ängste vor Leistungsverlust, Ängste vor gesundheitlichen Schwächen und insgesamt Ängste vor dem Altern.  

3. Die Entwicklung von Coaching in den nächsten Jahrzehnten

Die beschriebenen Phänomene ziehen einen erhöhten Bedarf nach Personalentwicklung bei Führungskräften nach sich:

• Heute besteht bei Führungskräften aus technischen oder pädagogischen Berufen ein großer Bedarf an Managementkompetenzen. So haben Seminare Hochkonjunktur, die bereits amtierenden Führungskräften solche Kompetenzen vermitteln. In Automobilfirmen gehört es schon zur Norm, dass Karriereschritte in die dritte oder vierte Führungsebene nur nach dem Besuch einschlägiger Seminare möglich sind.
• Viele Führungskräfte „gönnen“ sich auch eine psychische Regeneration, indem sie Meditationsveranstaltungen, Selbsterfahrungsseminare oder sogar psychotherapeutische Situationen aufsuchen.
• Und viele nehmen schon heute Coaching in Anspruch genommen, das ihnen fachliche und persönliche Unterstützung garantiert. Innovative Firmen bieten ihren Führungskräften von sich aus Coaching an (Böning 2002) etwa bei der Übernahme neuer Führungspositionen, bei Fusionen von Abteilungen usw.

Der Trend zur qualifizierten Personalentwicklung für Führungskräfte wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Und unter allen Maßnahmen wird Coaching einen besonderen Stellenwert erhalten, weil

• es fachliche und persönliche Aspekte kombiniert, weil es
• als „exklusive Maßnahme der Personalentwicklung“ genau die Themen aufgreift, die für eine Führungskraft aktuell relevant sind, weil es
• durch seine Anlage im Zweiergespräch oder in einer Kleingruppe ausreichend viel Intimität garantiert. So entsteht eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der die Führungskraft auch alle ihre Ängste und Schwächen verhandeln kann.

Demnächst stellt Coaching keine Ausnahmeerscheinung mehr dar. Das führt aller Voraussicht nach dazu, dass

• es aus Kostengründen zumindest für untere Hierarchieebenen vermehrt organisationsintern durch Coachingspezialisten in Personalentwicklungsabteilungen angeboten wird,
• oder dass es von Firmen, die auf Maßnahmen der Personalentwicklung spezialisiert sind, durchgeführt wird.
• Außerdem ist zu erwarten, dass Coaching in Seminare oder Trainings integriert wird.
• Wahrscheinlich wird es auch begriffliche Variationen geben wie „Managementberatung“ oder „Führungskräfteberatung“.
• Coaching wird aber sicher auch mehr als heute in spezialisierten Formen angeboten werden wie „Timecoaching“ oder „Beziehungscoaching“.

Unter den Coaches wird sich die Szenerie wahrscheinlich stärker differenzieren, in diejenigen, die auf eine sozialwissenschaftliche Fundierung Wert legen und in diejenigen, die auf der Basis einer schmalen Vorbildung einige mundige „Sprüche klopfen“. Das wird dazu führen, dass man Coaching immer mehr durch Berufsverbände zu überformen sucht.

 

Literatur:

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König, K. (1997): Modernisierung von Staat und Verwaltung: Zum neuen öffentlichen Management. Wiesbaden: Gabler.
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Macher, A. (1997): Beratung bei der Etablierung der neuen Verwaltungssteuerung. OSC 4 (5), S. 329-343.
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Schreyögg, A. (2002): Konfliktcoaching. Frankfurt/M., New York: Campus.
Sennett, R. (1998): Der flexible Mensch. Berlin: Siedler.
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Weber, M. (1921): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. 2. Halbbd., Tübingen: P. Siebeck.
Womack, J.P., Jones, D.T., Roos, E. (1991): Die zweite Revolution in der Autoindustrie. 2. Aufl., Frankfurt/M., New York: Campus